Die Bevölkerung wird immer älter. Die Folgen des viel zitierten demografischen Wandels sind vielschichtig und Lösungen für das sich heranschleichende Dilemma sind mit den derzeit vorherrschenden Handlungsmaximen und Wertevorstellungen von Politik und Gesellschaft nicht wirklich in Sicht. Auf die Suche nach Auswegen machte sich am Freitagabend der SPD-Kreisverband. Er hatte zur Diskussionsveranstaltung „Demografie und Auswirkungen auf die Kommunen – Was können wir vor Ort tun?“ eingeladen. Der Ort der Veranstaltung, das Alten- und Pflegeheim St. Marienhaus, steht dabei für eine der großen Fragen: Wie lässt sich den alten Menschen in einer durchökonomisierten Welt ein selbstbestimmtes und würdiges Leben, eingebunden in die Gesellschaft ermöglichen? Das andere Problem: der sich schon heute abzeichnende Mangel an Arbeitskräften
Mögliche Antworten aufzeichnen und vor allem Impulse geben, wie die Problem vor Ort angegangen werden könnten und sollten, gab am Freitag der renommierte Gerontologe Thomas Klie, Rechts- und Verwaltungswissenschaftler an der der Evangelischen Hochschule in Freiburg. Klie ist unter anderem Mitglied der Altenberichtskommission sowie stellvertretender Vorsitzender der Engagementberichtskommission der Bundesregierung. Wie vor Ort aktiv werden, um den demographischen Wandel zu gestalten, fragten Staatsekretärin und SPD-Kreisvorsitzende Rita Schwarzelühr-Sutter und Landtagsabgeordneter Hidir Gürakar. Mit auf dem Podium: Hartmut Fricke, Gerontologe und Leiter des Alten- und Pflegeheims St. Marienhaus, und Bürgermeister Alexander Guhl.
Demographischer Wandel komme nicht von allein, sondern sei eingebettet in einen grundlegenden „sozialen und kulturellen Klimawandel“, lautet eine der Thesen von Klie. Was es zu besprechen gelte, sei somit im Grunde ein „Kulturthema“. Bei den Alten ginge es nicht nur um Versorgung, sondern um Respekt und der Zuwendung jenseits ökonomischer Aspekte. Klie: „In der Solidarität zeigt sich die Qualität einer Gesellschaft.“
Beim Thema Fachkräftemangel forderte Klie eine „Willkommenskultur“ ein. Zuwanderung sei notwendig, und wer komme, müsse zum Bleiben bewegt werden, auch durch ein in jeder Hinsicht attraktives Umfeld in den Kommunen. Soziale Stabilität sei wiederum Voraussetzung für langfristigen ökonomischen Erfolg eines Landes.
Bei allem könnten die Kommunen schwergewichtig mitwirken. Ihnen gehöre deshalb mehr Kompetenz und Handlungsfreiheit zugesprochen. Vieles müsste von oben nach unten verlagert werden. „Die Kommunen brauchen mehr Verantwortung“, forderte auch Guhl. Das, so Klie, gelte auch für die Bereiche Pflege und Gesundheit. Als Beispiele, wo es da hapert, nennt Klie: „Die Kassen haben kein Interesse an einer flächendeckenden Versorgung.“ Und die meisten Pflegekassen kämen ihren Aufgaben nicht nach.
Demografischer Wandel als Gestaltungsaufgabe
Der demografische Wandel stellt Bund, Länder und besonders die Kommunen vor viele Herausforderungen. Referent Thomas Klie lieferte am Freitag bei der SPD Impulse für Lösungen
Der demografische Wandel stellt Bund, Länder und besonders die Kommunen vor viele Herausforderungen. Referent Thomas Klie lieferte am Freitag bei der SPD Impulse für Lösungen
1Thesen: Die Kommunen müssen laut Klie intelligente Strukturen schaffen um Senioren ein Leben in Würde und mit Zuwendung zu gewährleisten. Außerdem gelte es, für Zuwanderer eine „Willkommenskultur“ zu schaffen und dafür zu sorgen, dass diese sich vor Ort wohl fühlen und letztlich zum Bleiben bereit sind. Für junge Menschen gelte es in diesem Sinne gute Ausbildungs- aber auch Studienmöglichkeiten durch Kooperationen zu schaffen. Klie: „Formale Abschlüsse sind out, was wir brauchen ist ein Kompetenzbeweis.“ Zudem gehöre die gesamte Infrastruktur so attraktiv gemacht, dass die Kommune im Wettbewerb bestehen könne. Für den Pflegeheimleiter des Marienhauses Hartmut Fricke steht auf kommunaler Ebene unter anderem die Schaffung altengerechten Wohnraumes und die Einbindung der Senioren in die Gesellschaft ganz oben auf der Wunschliste: Ein Viertel der Bewohner des Marienhauses seien nur wegen ungeeigneter Wohnungverhältnisse dort untergebracht, ein Drittel wegen sozialer Isolation.
2Fazit: „Wir müssen jetzt daran arbeiten, solange wir noch daran arbeiten können“, sagte Bürgermeister Alexander Guhl zu den Herausforderungen des demografischen Wandels. Die Kommunen müssten das Zusammenleben in allen Bereichen verändern, um die Zukunft zu gestalten. Dafür bräuchten sie auch mehr Handlungsfreiheit und Geld, waren sich Hidir Gürakar und Rita Schwarzelühr-Sutter sicher. Es gelte, Maßnahmen und Handlungsstrategien zu entwickeln. Menschen, die von sich aus die Initiativen ergriffen, müssten unterstützt werden. Klies Fazit: „Die Kommunen müssen Profi werden in sozialer Architektur.“ (fli) Südkurier Frank Linke